Unser Gast in Snapshot #8 ist Matthew Ulbrich. Er verantwortet bei Tickaroo die Bereiche Produktentwicklung, Konzept und User Experience. Vor seiner Zeit bei Tickaroo war er als Co-Founder und Chief Creative Officer mit seiner Appschmiede Kupferwerk AG tätig, die unter anderem Apps für ProSieben, Wetter.com, Lotto24 oder Maxdome entwickelt und gestaltet haben. Sicherlich hattest oder hast auch du schon eine seiner Apps auf deinem Smartphone installiert. Wir haben Matthew gefragt, warum die Erfahrung und das Erlebnis der Benutzer für ein Produkt eigentlich so überaus wichtig sind und was eigentlich „exponentielles Wachstum“ bedeutet.
Was genau ist Tickaroo? Tickaroo entstand aus der Idee, lokale Sportereignisse, wie etwa das Fußballspiel des Sohnes, von jedem Ort auf der Welt aus betrachten und mitfiebern zu können. Was mit einem Team von vier Leuten begonnen hat, ist nun ein 30-Mann-starkes Projekt geworden, dass es ermöglicht Sportberichterstattung und Eventbegleitung für jede erdenkliche Sportart anzubieten. Genutzt wird Tickaroo gleichermaßen von Profi-Reportern und privaten Sportfans. So wird die umfassende Live-Content-Technologie von Verlagen, Medienhäusern, Eventveranstaltern, Redaktionen und einer Vielzahl an Vereinen genutzt, um live zu Bloggen, zu Tickern und zu Streamen. Laut Matthew war einer der wichtigsten Wachstumstreiber die gute Usability der App. Tickaroo ist schnell gewachsen und uns interessiert natürlich, ob es dafür ein Geheimrezept gibt. Darüber hinaus gibt uns Matthew spannende Informationen über Produktdesign, Wachstumsstrategien und einen Blick in die Zukunft der Digitalisierung!
Tickaroo CPO & Gründer Matthew Ulbrich im Gespräch mit InterNetX
Für den Nutzer – nicht für den Entwickler Ist die Produktgestaltung zu kompliziert und kann nicht auf Anhieb vom User bedient werden, hat das negative Auswirkungen auf die Downloadzahlen. Das Problem ist, dass die Sicht des Nutzers häufig nicht berücksichtigt wird. So wie intern gedacht wird, werden auch die Apps entwickelt – für viele Unternehmen und Entwickler hat das negative Auswirkungen.
Matthew verfolgt hierbei folgenden Ansatz: „Mein Ziel ist es, Technologie zu entwickeln, die meine Mutter bedienen kann.“ Dieses Konzept scheint aufzugehen, denn seine App ist einfach zu verstehen und deshalb auf voller Linie benutzeroptimiert. „Wenn meine Mutter versteht, wie Netflix funktioniert“, sagt Matthew, „und es ihr einen Mehrwert bietet im Vergleich zu linearem Fernsehen, dann wird sie das verwenden, dann gibt sie dafür auch Geld aus.“ Diese Herangehensweise, die sich nicht vordergründig auf die tollsten Features konzentriert, sondern auf eine einfache Bedienung und den Mehrwert für den Nutzer, kann neue Technologien zum Erfolg führen.
„Out of the box“ denken Matthew erzählt uns, wie frustrierend es sein kann, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, von denen man eigentlich begeistert ist, aber später feststellen muss, dass der Kunde die Technologie nicht richtig anzuwenden weiß: Das Problem sieht er darin, dass „Leute draußen das gar nicht so nutzen, wie wir es uns in unserer Technologie-Welt vorstellen“. Das liege meistens daran, dass es von ihnen für derengleichen gemacht werden würde. Lieber also auf aufwendige Features und komplizierte Optionen verzichten und etwas erschaffen, dass dem Nutzer einen einfachen und klaren Mehrwert bietet.
Gerade in Hinblick auf die User Experience und das perfekte Produktdesign ist das Problem, dass Experten sich in einer Blase befinden, also in ihrem Fachbereich, in dem Fachbegriffe und komplizierte Technologien einfach wirken und klar verständlich sind. Hier sei es aber wichtig „out of the box“ zu denken und sich in die Nutzer hineinzuversetzen, die dieses Know How nicht haben.
Tickaroos Büro in Regensburg
Exponential Growth vs. klassisches Wachstumsdenken Schon jetzt kann man sagen, dass die technologische Leistung exponentiell gewachsen ist: Alle 18 Monate, so heißt es, haben wir eine Rechenleistung vorliegen, die doppelt so schnell ist wie aktuell. Problematisch ist eher die Vorstellungskraft des Menschen, der sich Dinge in der Zukunft nur schwer vorstellen kann. Nicht nur in der Politik, sondern auch in Unternehmen ist man laut Matthew oft nur quartals-getrieben. Der Blick sollte sich aber auf kommende Jahre und Jahrzehnte richten, nur so kann man in der digitalisierten Welt am Zahn der Zeit bleiben. Bei neuen Entwicklungen denkt Matthew nicht in Quartalszahlen, sondern was potentiell möglich ist, welches Produkt benötigt wird.
Technologische Entwicklungen lassen sich aber nicht aufhalten, es wird weitergehen – mit oder ohne uns. Sie sind schwer einzuschätzen: Gerade die Entwicklungen, die als „weit weg“ eingestuft werden, für die vermeintlich noch 30 Jahre Zeit wären, kommen häufig schneller als gedacht.
Versuch und Irrtum Wie kann man aber herausfinden, was auf dem Markt gut ankommen wird, was meine Zielgruppe benötigt und was überhaupt möglich ist? Mathhew hat hier eine ganz einfache Antwort parat: Trial and Error. Bei dieser heuristischen Methode, die zur Lösung von Problemen beitragen soll, werden solange zulässige Lösungsmöglichkeiten ausprobiert, bis die eine geeignete Lösung gefunden wird. Die Möglichkeit von Fehlschlägen wird häufig in Kauf genommen. Umgangssprachlich könnte man auch einfach „Ausprobieren“ sagen.
Diese Methode hält Matthew als zielführend, denn nur wer seine Produkte im Feld getestet und die erste Idee vielleicht nicht immer die beste ist, kann ein gutes Endprodukt auf den Markt bringen. Ausprobieren, überprüfen und Schlüsse ziehen: nur so kann das optimale Produkt entstehen.